Schaulaufen der Ticos

Die Gegner der Deutschen in WM-Gruppe A: Costa Rica. Die Mittelamerikaner rechnen sich auch wegen ihrer ehrgeizigen Jungspunde im Mittelfeld Chancen auf das Erreichen des Achtelfinales aus

VON KNUT HENKEL

„Es ist eine große Ehre, gegen Deutschland im WM-Eröffnungsspiel anzutreten, aber wir werden euch schlagen“, schmunzelnd Ernesto Calderón García. „Carlos Hernández wird wie gegen die USA das entscheidende Tor machen“, schiebt der Taxifahrer freudestrahlend nach. Carlos Hernández Valverde spielt bei Ernestos Lieblingsverein, dem Abomeister Liga Deportiva Alajuelense (LDA). Der 23-jährige offensive Mittelfeldspieler hat die Ticos, wie sich die Costaricaner selbst nennen, zur WM geschossen. Die zwei Tore beim 3:0-Sieg gegen die USA im vergangenen Oktober sind für ihn die Fahrkarte nach Deutschland, daran lässt Nationaltrainer Alexandre Guimaraes keinen Zweifel.

Gleiches gilt für ein weiteres offensives Mittelfeldtalent, den erst 20-jährigen Cristian Bolaños. Der spielt bei Deportivo Saprissa, dem anderen großen Traditionsverein Costa Ricas, und durfte im Januar 2006 schon einmal beim FC Liverpool vorspielen.

Neben Bolaños und Hernández sind es vor allem die Stürmer, die Trainer Alexandre Guimaraes Freude machen. Alvaro Saborio, der 23-jährige Mittelstürmer von Deportivo Saprissa, wurde bereits von Thierry Henry gelobt. Anlass war der Freundschaftskick zwischen Frankreich und Costa Rica auf der Karibikinsel Martinique im November letzten Jahres. Saborio war für das 1:0 verantwortlich und zur Halbzeit lag die Tricolor, wie die Nationalmannschaft in Anlehnung an die drei Nationalfarben auch heißt, mit 2:0 vorn. Zwar brach die Selección in der zweiten Halbzeit noch ein und verlor schließlich 2:3, aber der erste Sieg gegen einen Großen der Fußballwelt war denkbar nah. Das nahm auch Trainer Guimaraes gern zur Kenntnis. Er kann aus dem Vollen schöpfen, denn ihm steht die eingespielte Mannschaft der Weltmeisterschaft von Japan und Südkorea zur Verfügung und zahlreiche junge Nachwuchsspieler, die für den nötigen Konkurrenzdruck sorgen.

Nicht umsonst hat Costa Ricas Ausnahmestürmer Paulo Wanchope sein Gastspiel in Katar beendet und ist, nachdem er keinen europäischen Club fand, zurück in die heimische Liga gegangen. Der Goalgetter mit der Traumbilanz von 43 Toren in 67 Partien für die Selección spielt nun für Club Sport Herediano. Unzufrieden war der schlaksige Stürmer bei seinem letzten Arbeitgeber in Katar, und allzu sicher war er sich seines Stammplatzes in der Tricolor wohl auch nicht. Coach Guimaraes ist froh, „dass wir in allen Mannschaftsteilen junge Spieler mit sehr guten Ansätzen haben“. Für die ist Wanchope ein Vorbild. Er hat in der spanischen Liga für Malaga und in England für Derby County, Manchester City und West Ham gekickt. Nun ist er zurückgekehrt, um die schwelende Diskussion um die Stammplätze in der Offensivabteilung zu beenden. Acht Stürmer stehen Guimaraes derzeit zur Verfügung, und auch im Mittelfeld hat er die Qual der Wahl zwischen der alten Garde um die Mittelfeldstrategen Mauricio Solís und Walter „die Zehn“ Centeno und dem gut ausgebildeten Nachwuchs.

Der ist ein Produkt der systematischen Nachwuchsarbeit. Carlos Hernández hat genauso wie die jungen Abwehrspieler Gabriel Badilla und Roy Myrie schon internationale Erfahrung gesammelt. Bei der Weltmeisterschaft der U-20 2001 war Hernández genauso dabei wie 2004 in Athen. Die Nachwuchsarbeit, von Verbandspräsident Hermes Navarro 1999 initiiert, trägt längst Früchte. Jüngstes Beispiel ist das Abschneiden Costa Ricas bei der U-17-Weltmeisterschaft 2005 in Peru, wo die Tricolor erst im Viertelfinale am späteren Sieger Mexiko scheiterte. Zu den besten Spielern gehörte dort der Sohn von Coach Guimaraes, Celso Borges.

Die konsequente Arbeit der letzten Jahre findet auch in den Ranglisten ihren Niederschlag. Costa Rica belegt auf der aktuellen Fifa-Rangliste den 25. Rang und rangiert gerade 5 Plätze hinter Deutschland, aber deutlich vor den WM-Gegnern Ecuador und Polen. Entsprechend selbstbewusst tritt Coach Guimaraes auf. Für ihn ist Deutschland klarer Gruppenfavorit, doch im Rennen um den zweiten Platz sieht er seine Mannschaft gleichauf mit Polen und Ecuador. Und für die jungen Wilden um Carlos Hernández ist eines ohnehin klar: Groß aufspielen wollen sie, auf sich aufmerksam machen und nach der Copa den Sprung in eine der großen europäischen Ligen schaffen.